Bäckerei Loretto Hof: Altes Handwerk, neue Hände

Brot und Teilchen der Bäckerei Loretto Hof genießen von Biberach bis Tübingen einen legendären Ruf. Ebenso wie ihr Erschaffer Günther Weber im Back-Handwerk. Nun übergibt er seine Loretto-Bäckerei in jüngere Hände.

Bäckerei Loretto Hof: Altes Handwerk, neue Hände

Brot und Teilchen der Bäckerei Loretto Hof genießen von Biberach bis Tübingen einen legendären Ruf. Ebenso wie ihr Erschaffer Günther Weber im Back-Handwerk. Nun übergibt er seine Loretto-Bäckerei in jüngere Hände.
  • Die Bäckerei Loretto Hof in Zwiefalten ist eine legendäre Bäckerei und Gartenwirtschaft im Süden der Schwäbischen Alb
  • Günther Weber und Daniela Bürkle entwickelten dort eine ganz eigene Philosophie des Back-Handwerks
  • Nun haben sie die Bäckerei an ein Nachfolger-Paar übergeben. Wir haben Gründer und Nachfolger besucht und gefragt, was sich ändern wird

Vor etwas über einem Jahr hat Günther Weber beschlossen, in Ruhestand zu gehen. Bei den meisten Menschen ist das eine Entscheidung, die in diesem Alter nicht weiter erwähnenswert wäre. Doch bei Weber ist das anders: Er ist eine Instanz der Schwäbischen Alb und ihres Genusshandwerks. Die Menschen stehen Schlange für seine einzigartigen Brote und Teilchen.

Weber ist Bäcker und Freigeist, der zusammen mit seiner Partnerin Daniela Bürkle nicht nur einen zauberhaften Ort sondern eine ganz eigene Philosophie des Bäckerhandwerks geschaffen hat. Eine Philosophie, in der Klasse vor Masse geht, in der Leckereien noch aus Mehl, Wasser, Salz und sonst nichts entstehen, in der natürliche Sauerteige das Mehl treiben und dafür die Ruhe bekommen, die sie brauchen. Weber backt mit einem dicken Steinofen, dessen lange Aufwärm- und Abkühlzeiten er über all die Jahre perfekt kennengelernt hat. Das Getreide kommt von Bio-Höfen aus Oberschwaben und von der Alb. Er konzentriert sich auf eine Auswahl von rund zehn Broten oder Teilchen. Er backt an gerade mal drei Tagen in der Woche. Und im Winter gar nicht.

Diese Philosophie hat Günther Weber und Daniela Bürkle von Biberach bis Tübingen, wo sie ihre Brote, Brötchen und süßen Stückle auf den Märkten verkaufen, legendär gemacht. Wenn schönes Wetter ist, stehen die Menschen zu Dutzenden vor der Loretto-Bäckerei, um sich mit seinen Broten einzudecken. Einmal hat der SWR eine Dokumentation über den Ausnahmebäcker gedreht. Immer, wenn sie im Fernsehen wiederholt wird, reicht die Schlange am nächsten Wochenende über den ganzen Lorettohof.  Wie findet man für einen solch besonderen Ort die geeignete Nachfolge? Einen Ort, den man quasi selbst erschaffen hat?

Die Nachfolger:innen

Günther Weber hat sich damit nicht leichtgetan. Er hat sich Zeit genommen, sich erst in der Nachbarschaft umgehört, dann eine Annonce auf seiner Website geschaltet. Interessent:innen gab es reichlich und Weber hat zahlreiche, interessante Menschen getroffen: Quereinsteiger, gewinngetriebene BWL-Bäcker, Großstädter, Foodtrucker. Und am Ende hat er sich für Stefan und Swetlana Mai entschieden.

Die beiden sind Bäckersleute aus der Pfalz, gänzlich neu auf der Alb und in der Bäckerei Loretto Hof. Und sagen: „Für uns war klar, wenn wir uns selbstständig machen, wollen wir etwas Besonderes übernehmen, etwas backen, was die Menschen nicht überall bekommen.“ Und das ist wohl gelungen.

Zurückhaltend sind die Mais. Vorsichtig tastend, wie sie sich in diesen Kosmos einfinden. Denn ein solcher ist Loretto. Vor zwei Jahrzehnten sind Günther Weber und Daniela Bürkle hier eingezogen, hatten vorher eine kollektivistisch geführte Bäckerei in Winnenden. Dann war da aber die Schwägerin, hatte einen Hof bei Zwiefalten aufgetan, dort die Ziegenhaltung aufgebaut. Das Hof-Arrangement war zu groß für eine Frau mit einigen Dutzend Bio-Ziegen. Also kamen Günther Weber und Daniela Bürkle hinzu. Sie stellten den Steinofen in die Backstube, errichteten eine Gartenwirtschaft. Heute wirkt das Zusammenspiel von Bio-Ziegen-Käserei und Holzofenbäckerei wie aus einem stimmigen Bilderbuch-Ensemble mit ganzer Liebe für das jeweilige Produkt, auch wenn die Betriebe getrennt sind.

Ein 24-Stunden-Job mit drei Arbeitstagen 

Die Loretto-Back-Philosophie lässt sich nicht bis ins letzte Detail in ein Rezept schreiben (auch wenn Günther Weber das in einigen sehr empfehlenswerten Büchern getan hat), sie ist immer auch von Gefühl und Wissen des Bäckers abhängig. Wie verhält sich das Holz im Ofen heute? Was, wenn Ofentemperatur und Teig-Trieb sich nicht wie geplant entwickeln? Welchen Einfluss übt die Luftfeuchtigkeit aus?

Alles Fragen, die backtäglich neu beantwortet werden wollen. Und über die Günther Weber sagt: „Es kommt nicht das gleiche Brot heraus, wenn man einfach das Rezept befolgt.“ Stattdessen ergeben die Mischung aus Rezept, Erfahrung und Intuition die gleichbleibenden Loretto-Qualität. Stefan Mai sagt, einiges wie die lange Teigführung erinnere ihn an seine Ausbildung, anderes erschließe er sich nun nach und nach. „Für uns war das auch neu, dass eine Bäckerei so funktioniert“, sagt Stefan Mai. „Das unterscheidet sich von vielem, was wir bisher erlebt haben im Beruf, wo völlig die Wertschätzung für das Brot fehlt.“ 

Gleichzeitig ist auch klar: Stefan und Swetlana Mai gestalten die Bäckerei Loretto Hof nun. So wohnen nun die Mais im Bäckerhaus, dem Hauptort des Hofes. Das hat weniger symbolischen Wert als mit der Praxis des echten Bäckerhandwerks zu tun: Wer backt, wie sie bei Loretto backen, muss sich rund um die Uhr um seine Sauerteige kümmern. Anfüttern, kneten, Vorteige ansetzen, erste Gärstufe, zweite Gärstufe. Der Sauerteig gleicht da einem menschlichen Organismus, der ja nach eigener Tagesform und äußeren Umständen unterschiedliche Bedürfnisse entwickelt. Und um diese möglichst zu stillen, bewährt es sich, in der Nähe zur Backstube zu wohnen. So hat Günther Weber es auch gemacht. „Auch mal abends noch schnell zum Teig, das gehört schon dazu“, sagt er. 

Was sich auf dem Lorettohof verändern wird

Wir werden das Konzept und die Produkte zunächst einmal beibehalten“, sagt Stefan Mai. Auch, wenn sie als Pfälzer:innen eher Roggen sozialisiert sind, haben sie die Alb und ihre Eigenschaften schon erspürt. „Natürlich denkt man erstmal, man macht etwas neues“, sagt Stefan Mai. „Dann sieht man aber den Holzofen und weiß, der erfordert ein sehr reduziertes Sortiment.“  

Es gibt also weiter das Bauernbrot, das hier der Verkaufsschlager ist, seit besagter SWR-Dokumentation. Auch das beliebte Dinkel-Vollkornbrot wird es weiter geben, genauso wie die komplett von Hand erstellten Croissants, die kleinen Kümmelstangen, die an Seelen erinnern. Und auch die menschenfreundlichen Öffnungszeiten von drei Tagen in der Woche werden erstmal so bleiben. Ebenso wie die wenigen Verkaufsstellen: die Wochenmärkte in Tübingen und Biberach, der Nahversorger in Hayingen, die Metzgerei Grießhaber in Mössingen.

Günther Weber und Daniela Bürkle wohnen nun im Nebengebäude. Er hat Teile seiner Sauerteige mitgenommen. Mit denen will er nun weiter arbeiten. Die Nächte am Holzofen, die braucht er vielleicht nicht mehr. Die Hände am Teig aber sehr wohl. 

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