Erasmus Karlsruhe: Italien auf badisch

Andrea und Marcello Gallotti zelebrieren in Deutschland seltenes Italo Fine-Dining. Selten gelingt die Kombination aus heimischen Zutaten und Länderküche so stilbildend, und nirgendwo so nachhaltig wie im Erasmus Karlsruhe.
Andrea und Marcello Galotti vom Erasmus in Karlsruhe

Erasmus Karlsruhe: Italien auf badisch

Andrea und Marcello Gallotti zelebrieren in Deutschland seltenes Italo Fine-Dining. Selten gelingt die Kombination aus heimischen Zutaten und Länderküche so stilbildend, und nirgendwo so nachhaltig wie im Erasmus Karlsruhe.


Als Autor:in lernst Du zwei Dinge relativ früh: Beginne einen Text nicht mit Deiner Ankunft am Ort der Recherche. Und: Vermeide abgegriffene Wortspiele. Wir müssen an dieser Stelle, wo es um das gastronomische Kleinod Erasmus von Andrea und Marcello Gallotti in Karlsruhe gehen soll, beides ignorieren. Denn: Das Auge isst hier mit. Und die Optik des Ortes ist zu spektakulär, um sie zu verschweigen.

Also betreten wir einen Bauhaus-Bau am Rande der Stadt, das Erasmus Karlsruhe. Das Gebäude mit seinen klaren Linien, den großen Fenstern und den eindrucksvollen Kugellampen ist im Original erhalten. Es schafft auch einen beeindruckenden Rahmen, der am Ende durch Küche und Konzept von Andrea und Marcello Gallotti noch übertroffen werden soll.

Das Konzept

Letzteres lässt sich am besten so zusammenfassen: Die Gallottis, beide Absolventen der in ihrer Bedeutung für eine zukunftsfähige Gastronomie nicht zu unterschätzenden Slowfood-Universität im norditalienischen Pollenzo, kaufen ausschließlich biologisch erzeugte Produkte aus geringst möglicher Entfernung zu Karlsruhe. Daraus erschaffen sie eine ganze eigene Form der italienischen Hochküche. 

Das ist eine ebenso pragmatische wie sinnvolle Weiterentwicklung des in Italien sehr populären Kilometer-Zero-Gedankens. Der besagt: Alle Zutaten sollten aus möglichst geringer Entfernung, „null Kilometer“ eben, kommen. Das ist ökologisch sinnvoll, aber nicht nur für den Klimaschutz gut: Je regionaler die Entstehung, je kürzer der Anreiseweg und Zeitraum zwischen Ernte und Küche, desto mehr Geschmack.

Die Gallottis passen das an ihre Bedürfnisse an: Sie gehen bei der Auswahl ihrer Zutaten maximal so weit, wie sie müssen, um die gewünschte Qualität für eine italienische Küche in Baden zu bekommen. Sprich: Das Kalb oder Lamm kommt natürlich aus der Nachbarschaft, die Garnelen oder der Seefisch natürlich aus Italien. Finden wir angenehm entspannt.

Das Menü

Auf dem Teller sieht das dann so aus: Wir starten mit einer roten Wildgarnele aus den Gewässern vor Sizilien. Ein einzelnes Produkt herausragender Qualität, das es so in Deutschland selten gibt. Hier deutet sich schon an, was Marcello Gallottis Küche auszeichnet: Er hat die Größe als Koch, das schlichte Produkt für sich sprechen zu lassen. Doch gleichzeitig auch das handwerkliche Können, an anderer Stelle viele Produkte so zu orchestrieren, dass auch komplexere Teller entstehen. Etwa beim folgenden „Giochi di melanzana“, also dem Spiel der Auberginen. Die etwas störrige Küchenfrucht wird hier auf vier Arten so bearbeitet, dass sie sich in unterschiedlichen Entfremdungsstufen vom Urprodukt entfernt. Oder der „Polpo sul bagnasciuga“, also der Tintenfinsch am Strand, bei dem der Teller eher die Idee eines Gemäldes nachzuempfinden scheint.

Das Erasmus Karlsruhe bricht mit einigen Marotten der gehobenen Gastronomie, wie einem Übermaß an Service, Tischdecken oder bestimmte Prestigeprodukten, und ist eher hochpreisig. Wir finden dennoch, dass sich der Besuch uneingeschränkt lohnt. Weil hier die italienische Küche auf ein in Deutschland selten erlebtes Niveau gehoben wird, das wir sonst nur aus den aufgeklärteren Küchen Turins, Mailands, Modenas oder Roms kennen. Und weil hier so konsequent wie selten die komplette Nachhaltigkeit des Konzepts durchdacht wird. Weil Andrea Gallotti eine wirklich sehr gute deutsch- und italienfokussierte Weinkarte präsentiert.

Und weil man einfach verdammt schön sitzt. 

Adresse: Nürnberger Str. 1, 76199 Karlsruhe
ÖPNV: Hauptbahnhof Karlsruhe, von dort mit der Straßenbahn bis „Dammerstock“ – es ist direkt an der Haltestelle

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